Biographisches
Geboren (1937) und aufgewachsen in Jegenstorf (Schweiz); Besuch des Progymnasiums und Gymnasiums in Bern. Arbeit in verschiedenen Berufen, u. a. als Korrespondent, Vertreter und Organisationsassistent. Nach längeren Aufenthalten in Berlin, wo er einen Roman beginnt, und in Hagen (Westfalen) lässt er sich in Zürich nieder. Dort arbeitet er als freier Texter und etabliert sich als Schriftsteller. Er erhält verschiedene literarische Preise, so vom Kanton Bern, von der Stadt und vom Kanton Zürich.
Schreiben ist für Liechti vor allem Abstraktion, ein Spiel mit Fantasie. Er sieht sich in keiner schweizerischen Tradition. Lange schwebte ihm eine Art experimentelle Literatur vor, die das Widersprüchliche und Künstliche des Menschseins reflektiert.
Martin Liechti veröffentlichte fünf Romane und andere Belletristik. Erst spät wandte er sich dem Aphoristischen zu, das er als zusätzliches Feld, wenn nicht als seine eigentliche Domäne entdeckt.
Liechti versteht Literatur nicht als Abbildung, sondern als Ausweg. Was die Resonanz betrifft, so fühlt er sich ganz wohl in der Deckung als Geheimtipp.
Aktuell:
"Alles, was bleibt", Roman von Martin Liechti
978-3-906082-97-4
Eine Besprechung von Charles Linsmayer
Verlierer leben länger, geduldiger
In seiner Literaturkolumne rezensiert Charles Linsmayer Neuerscheinungen und Klassiker. Dieses Mal: «Alles, was bleibt» von Martin Liechti.
Einmal, im Hochhaus des deutschen Konkurrenten, sind sie sich im Lift ganz nahe: die Berlinerin Lena und der schon etwas ältere Schweizer Adrian Ambühl, Architekt eines ambitionierten Bauvorhabens an der Spree. Aber als er ihr mit einem Schal eine Freude machen will, reagiert sie ungehalten, und kurz darauf sagt sie: «Du machst Dir was vor!»
In «Alles, was bleibt» erzählt Martin Liechti vom Leben und den Liebesversuchen eines ziemlich scheuen Mannes, der als Gymnasiast einst eine unvergessliche stürmische Lovestory mit der Mitschülerin Anja erlebte, die ihm schon bald durch den Tod entrissen wurde. Es ist ein schön geschriebenes Buch über Berlin und seine geheime Faszination, mit Sätzen voller Tiefsinn und Melancholie. Liechti lässt Ambühl schliesslich in der Einsamkeit des Eulensees zur Ruhe kommen, nachdem er die Hoffnung auf Erfüllung mit einem Du aufgegeben hat und einer «Liebe auf Distanz» nichts abgewinnen kann. «Leben war kein geringer Verlust, dachte er, Verletzte oder Verlierer leben länger, geduldiger.» Liechti ist mit Aphorismen bekannt geworden und letztlich ist auch dieser Roman ein einziger langer Aphorismus. Eine eher pessimistische Rückbesinnung am Ende eines Weges, der nur noch eine kurze Strecke vor sich hat und dann doch nochmals zur Serie jener sein Leben prägender Verluste zurückführt, als Ambühl hört, dass sein drogenabhängiger einziger Sohn im Sterben liegt. «Der Abschied war noch nicht vollbracht», heisst darum, alles offen lassend, der letzte Satz.
Charles Linsmayer
Erschienen in der Zeitung "20 Minuten"
Während Burkhard Jahn Liechti „Luzidität" („große Gedanken in kleiner Form") attestiert und sein letztes Buch als „Brevier, als Stundenbuch für Besonnene, für Trostsuchende im Irrsinn des Alltags“ empfiehlt, lobt Michael Rumpf die „literarische Qualität" und schließt seine Rezension mit den Worten: „ ... Seine Aphorismen und Notate sind ein - kurz gesagt - begrüßenswertes Lebenszeichen edelster Art."
Aphorismen sind eine Art »Tropfenweisheit« (E. Benyoëtz), Erkenntnisversuche in Kleinform. Man nimmt sie sich einzeln vor, einen möglichen Zusammenhang erschließt sich der Leser selbst. Er lässt sich beim Blättern tropfenweise anregen und spinnt die Gedanken fort. Vielleicht eröffnet sich ihm eine neue Sichtweise. Oder er bietet Paroli. Kurz, der Leser behält seine Freiheit.
Das schräge Licht des Absurden schraffiert unsere Wahrnehmung, lockert die Zuständigkeit, stellt in Frage, schwankt flackrig, kurz einen Anflug von Galgenhumor beschwörend.
Hie geht es direkt zur Rezension von Dr. Michael Rumpf aus Grünstadt (Deutschland)
Aphorismen und Notate
Martin Liechti Bucher Verlag 2020
»Manches geht leicht daneben, das behalte im Auge, wenn du mal triffst. Und manches trifft man, weil es daneben ging.«
Treffgenau sollen Aphorismen sein – und das bei ausgiebiger Kürze. Die Ansprüche sind also hoch, das Gegensätzliche ist vorprogrammiert. Liechti stellt sich in seinem zehnten Aphorismenband der paradoxen Form, indem er »verstreute Treffer« nicht ausschließt, das Spektrum öffnet. So oder so leben Aphorismen von ihrem vielseitigen Erkenntnis- und Unterhaltungswert.
KEINER WEISS WARUM
Aphorismen + Notate
Martin Liechti
Eintauchen in die Kurzform und Denkräume öffnen
»Unser Wissen ist Stückwerk, also ist der Aphorismus die der Erkenntnis des Menschen allein angemessene Form der Aussage«, so formulierte der zu Unrecht vergessene, bedeutende Schweizer Aphoristiker H. A. Moser. Und fügte hinzu: »Alle Gedankengebäude sind künstlich und vergänglich; die Natur unseres Geistes bringt nur Gedankensplitter hervor. Nur sie bleiben, nur ihnen vertraue.«
Aphorismen öffnen rasch verschiedene Denkräume, man kann kurz verweilen oder eine andere Tür aufmachen.
Man verliert nicht den Zusammenhang und wird überrascht von plötzlich aufblitzenden Denkansätzen oder Formulierungen.
"Ein sanftes 'oder' kippt dann dieses Verbindliche in sein Gegenteil." Peter K. Wehrli im Literaturmagazin ORTE.
Bucher Verlag 2019
Hardcover mit Schutzumschlag
160 Seiten, Bucher Verlag
ISBN 978-3-99018-482-0
Der in Jegenstorf bei Bern Geborene lebt heute als Autor in Zürich.
Agentur Buch-News Zürich
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